Vielleicht auf Lebenszeit

Herr Piontek, Herbergsvater klingt eher nach Berufung als nach einem gewöhnlichen Ausbildungsberuf. Wie verlief Ihr Werdegang?
FRANK PIONTEK: Ja, das stimmt, ein Ausbildungsberuf ist es nicht. Ich bin über die klassische Schiene in die Jugendherberge hinein geraten und zwar als Jugendherbergs-Zivi in Bad Driburg. Danach habe ich in Haaren eine Ausbildung absolviert zum Groß- und Außenhandelskaufmann und bin dann zurückgegangen in die Jugendherberge nach Bad Driburg, wo ich fünf Jahre als Assistent der Herbergsleitung gearbeitet habe. Ich hatte den Wunsch nach beruflicher Veränderung. In der Stelle als Assistent hatte sich der Alltag schnell eingespielt, es warteten keine großen Herausforderungen mehr. Da erfuhr ich von der ausgeschriebene Stelle der Herbergsleitung hier in Wewelsburg, für die ich mich dann kurzerhand beworben habe.

Wie sieht denn der typische Arbeitsalltag eines Herbergsvaters in der Wewelsburg aus?
PIONTEK: Man steht morgens früh auf, dass man um sieben in der Küche mit anpacken kann. Dann ist oft Abreise der Gäste, die im Haus sind, am Vormittag Anreise neuer Gäste. Das heißt für mich: Zimmer in Ordnung bringen, gucken, ob die Gäste die Wäsche nach unten gebracht haben. Danach Mittagessen vorbereiten, ausgeben, spülen, alles in Ordnung bringen. Ich habe natürlich auch sehr viel im Büro zu tun: Reservierungen annehmen, Auskünfte geben, Programme vermitteln, Bestellungen für unsere Waren aufgeben und solche Dinge. Dann muss natürlich noch die komplette Buchhaltung gemacht werden. In der Regel habe ich einen Acht- bis Neun-Stunden-Tag, je nachdem wie viel los ist. Allerdings bin ich ja durch meine Dienstwohnung vor Ort sowieso fast die ganze Zeit hier, quasi sieben Tage die Woche 24 Stunden täglich.

Das Aufgabenspektrum eines Herbergsvaters ist vielseitig. Mit Ihrem kaufmännischen Beruf sind Sie für die wirtschaftliche Seite des Unternehmens Jugendherberge gut gewappnet. Aber was ist mit den anderen Qualitäten, zum Beispiel im Umgang mit Menschen?
PIONTEK: Ja, das stimmt, angefangen bei den kaufmännischen und wirtschaftlichen Aspekten über pädagogische und soziale Kompetenzen bis hin zu hauswirtschaftlichen Fähigkeiten wird schon einiges gefordert. Dann ist es natürlich auch nicht verkehrt, wenn man etwas handwerkliches Geschick mitbringt, damit man nicht bei jeder Kleinigkeit den Elektriker oder so rufen muss. Die sozialen Kompetenzen habe ich zwar nicht in meiner Ausbildung gelernt, aber ich habe seit ich 15 Jahre alt war in der Katholischen Landjugend Jugendarbeit betrieben, habe Gruppenleiterkurse absolviert, Zeltlager organisiert und geleitet. In der ehrenamtlichen Tätigkeit habe ich also viele Erfahrungen im Umgang mit Menschen gesammelt.

Wewelsburg ist ja architektonisch und historisch durchaus eine besondere Jugendherberge. Wie macht sich das für Sie bemerkbar?
PIONTEK: Als Burg haben wir natürlich Pluspunkte. Bei Gästen die sich überlegen, wo sie hinfahren wollen, ziehen Burgen natürlich immer sehr gut. Auch wenn wir den Komfort von Jugendgästehäusern noch nicht bieten können, haben wir trotzdem unser festes Klientel. Wir haben aber dafür ein paar Besonderheiten, die auch nicht alle Jugendherbergen haben, wie z. B. die Sporthalle im Nordturm. Damit sind wir natürlich mit Sportgruppen gesegnet.

Jetzt sagen Sie, Sie können den Komfort "noch nicht" bieten. Heißt das, da ist etwas im Wandel?
PIONTEK: Ja, ein Trakt ist schon im Umbau, das heißt, wir sind dabei, Anlagen zu erneuern. Es werden bestimmte Zimmer mit Nasszellen, sprich Dusche und WC, ausgerüstet. Natürlich geht der Wunsch dahin, dass noch ein paar mehr Zimmer entsprechend modernisiert werden. Wann und wie das stattfinden kann, liegt nicht in unserer Entscheidung, sondern beim Landesverband. Der Gästewunsch geht auch in die Richtung, da wir auch sehr viele Familien und Einzelgäste haben. Wobei wir aber auch das Freizeitangebot und den ursprünglichen Jugendherbergsgedanken, nämlich eine preiswerte Unterkunft, nicht aus den Augen verlieren wollen – und das geht nun mal auf Kosten des Komforts.

Ein historisches Gebäude, so schön es auch sein mag, kann ja immer auch Probleme mit sich bringen. Wie sieht das hier aus?
PIONTEK: Ja, gerade in der Umbauphase merken wir das. Man weiß manchmal nicht, wie früher gebaut worden ist, wie z. B. Rohre verlegt worden sind. Das ist schon sehr abenteuerlich. Da wir Pächter der Burg sind, haben wir natürlich immer Absprachen mit dem Kreis Paderborn als Träger und dem Denkmalschutz. Das heißt, man kann nicht einfach bauen wie man will, wann man will und wo man will, sondern muss sich an bestimmte Auflagen halten.

Als junger Herbergsvater bringen Sie doch sicher neue Ideen mit?
PIONTEK: Wir planen, unseren Gästen einen breiteren Service anzubieten. Programme und Veranstaltungen, die in der Region stattfinden, sollen zukünftig direkt bei der Buchung von uns mit vermarktet werden. Wir wollen auch mehr erlebnispädagogische Angebote mit ins Programm nehmen. Die Kooperation mit dem Museum soll ausgebaut werden, dass wir Führungen, Rallyes und andere Angebote den Gruppen direkt an die Hand geben und sich die Gäste nicht separat beim Museum erkundigen müssen.

Wie sehen Ihre persönlichen Zukunftspläne aus? Ist Wewelsburg ein Zwischenstopp in ihrer beruflichen Karriere oder sind Sie hier am Ziel angekommen?
PIONTEK: Ich bin ja erst seit etwa neun Wochen hier. So weit nach vorne habe ich noch gar nicht geplant. Für mich spricht allerdings nichts dagegen, dass meine Aufgabe hier ein Job auf Lebenszeit wird. Man muss natürlich gucken, wie lange es die Herberge hier noch geben wird und wie lange wir noch Pächter in der Burg sind. Aber das ist für die nächsten Jahrzehnte erstmal gesichert, insofern habe ich einen sicheren Arbeitsplatz. Wenn man den Beruf in Bezug auf ‚Karriere machen’ verstehen will, hat man die Möglichkeit, in größere Häuser zu gehen. Da muss man sich überlegen, was man will. Wir sind hier noch eine Landjugendherberge – und das ist schön. Wir haben ein Klientel, das überschaubar ist, Gruppen, die auch mal länger bleiben und nicht nur Durchreisende, wo ein enger Gästekontakt nicht stattfindet. Darüber bin ich schon sehr glücklich.

Mal abwarten, wie lange es die Jugendherberge noch geben wird? Zeichnet sich denn bereits ein Engpass ab?
PIONTEK: Genauso wie die gesamtwirtschaftliche Lage hängen auch wir als Jugendherberge etwas hinterher. Wir merken das zum Beispiel auch daran, dass in Schulklassen die Jahrgänge nach und nach schwächer werden, dass Klassenfahrten nicht mehr wochenweise durchgeführt werden, sondern meistens nur noch drei bis vier Tage und dass auch Sportvereine oder Chorproben auf den Geldbeutel schauen.

Wie wollen Sie diesem Trend entgegen steuern?
PIONTEK: Wir versuchen erstmal mit den Modernisierungsmaßnahmen Gäste für den normalen Herbergsbetrieb zu gewinnen. Wir möchten aber auch im Hinblick auf die Besucher der Burg noch etwas mehr tun. Wir überlegen, einen Bistrobetrieb mit Biergartenatmosphäre im Außenbereich der Burg als Saisonprojekt zu eröffnen, sozusagen als kleines Zusatzgeschäft von März bis Oktober. Noch ist nicht ganz klar, wo genau wir das Bistro installieren können, aber die Planungen laufen und Ziel ist, dass wir etwa im März anfangen. Das Museum hat ab April eine Sonderausstellung im Burggarten, da wollen wir dann an den Wochenenden die Bewirtschaftung übernehmen. Wie es dann weiter geht, hängt davon ab, wie so etwas angenommen wird.

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Copyright © Neue Westfälische 2005
Dokument erstellt am 05.12.2005 um 18:32:36 Uhr
Erscheinungsdatum 06.12.2005 | Ausgabe: PADERB | Seite: 02