Klinik auf dem Einkaufszettel

Bei den Analysten kam es gut an, daß Axel Hölzer vor einigen Tagen schon zum zweiten Mal in diesem Jahr Immobilien losschlug und wieder anmietete. Für 117 Millionen Euro hatte der Vorstandschef der Marseille-Kliniken AG (MKAG), der größte deutsche private Betreiber von Seniorenpflegeheimen und Reha-Kliniken, zehn Heime an den britischen Investor CIT Group Euro verkauft.

Damit kam er zwei seiner wesentlichen Ziele entscheidend näher: zum einen die Finanzschulden abzubauen und damit die Eigenkapitalquote zu erhöhen, und zum anderen weitere Mittel für die Finanzierung seiner Wachstumsstrategie zu bekommen. So stuften die Spezialisten von Independent Research die MKAG-Aktie mit "Akkumulieren" ein.

Hölzers Plan ist in der Tat ambitioniert. Die mit ihrer Hauptverwaltung in Hamburg angesiedelte MKAG verfügt in der Altenpflege insgesamt über 8170 Betten, von denen allein in diesem Jahr 1100 neu hinzu kamen – 2008 sollen es bereits 12 000 Betten sein. Damit nicht genug: Um den Umsatz (2004/05: 201,4 Millionen Euro) weiter anzukurbeln, treibt MKAG nicht nur das neue Segment des "Betreuten Wohnens" voran, sondern will jetzt auch als Betreiber von kleinen, auf Gerontologie spezialisierten Kliniken arbeiten.

So steht MKAG jetzt vor der Übernahme des ersten dieser Krankenhäuser – des St. Nikolaus-Hospitals im westfälischen Büren, das vom katholischen Erzbistum Paderborn betrieben wurde und in die roten Zahlen geriet. Für die Stadt, die Kirchengemeinde und das erzbischöfliche General- vikariat ist der Deal bereits so gut wie perfekt. Aber Hölzer wiegelt noch ab: "Wir sind sehr weit, doch unterschrieben ist noch nichts."

Ob MKAG in Büren einsteigt oder sich womöglich eine andere Klinik sucht – für Hölzer ist ausgemacht, daß sein Unternehmen demnächst mit einem Krankenhaus als Pilotprojekt startet: "Wir müssen dann damit erst einmal unsere Erfahrungen sammeln." Was aber nicht schwerfallen dürfte, wie er meint. Denn mit der Arbeit in den eigenen Reha-Kliniken sei man bereits "recht nahe dran".

In jedem Fall ist die Gelegenheit günstig. Denn viele Kliniken sind in finanzieller Schieflage und stehen zum Verkauf. Sogar wenn eine Privatisierung gelingt, muß allein in Nordrhein-Westfalen bis 2010 jede zehnte Klinik schließen. Einer der Gründe ist die ab 2009 geltende Fallpauschale – ein Festbetrag pro Patient.

Um so mehr müssen deshalb die Vertragskonditionen bei Privatisierungen für die künftigen Betreiber wie MKAG stimmen. Dies gilt auch für weitere Zukäufe beim angestammten Bereich Altenpflege. So wird sich denn erst noch weisen müssen, ob Marseille-Kliniken beim zum Verkauf anstehen- den, defizitären Hamburger Betrieb "Pflegen & Wohnen" (P&W) einsteigen will.

Bei mehreren großen privaten Betreibern wie MKAG liegen die Ausschreibungsunterlagen seit einigen Tagen zur Prüfung auf dem Tisch. Hölzer macht kein Hehl daraus, daß dabei die künftigen Personalkosten als größter Ausgabenblock eine zentrale Rolle spielen: "Die Frage ist, welche unternehmerische Freiheit man nach einem Vertragsabschluß hat, um zu einer ausreichenden Renta- bilität zu kommen."

Mit anderen Worten: Fesseln wie Beschäftigungsgarantien oder Entlohnung nach Tarif will sich MKAG nicht anlegen lassen. Danach sieht es allerdings in Hamburg aus. Das inzwischen rechtlich verselbständigte Unternehmen "Pflegen & Wohnen Betriebs GmbH" mit 2800 Betten übernimmt alle 1600 Beschäftigten, bis 2009 soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Doch wie im Fall Büren gibt sich Hölzer ganz entspannt: "Wir sind nicht auf einen Kauf angewiesen, wir können auch organisch wachsen." Das sind keine leeren Worte. Den Erwerb der Bad Homburger Altenpflege-Kette Casa Reha schlug MKAG unlängst aus – weil der Kaufpreis zu hoch war.

Artikel erschienen am 18. Dezember 2005

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