VON ANDREAS GÖTTE
Zehn Besitzer, verschiedene Standorte und eine interessante Gründungsgeschichte: Die Bürener "Apotheke zur Residenz", die zum Jahreswechsel in die Regie der Bad Wünnenberger Familie Klinke überging (die NW berichtete), ist ein Füllhorn für jeden Geschichtsliebhaber.
350 Jahre Historie stecken zwischen Regalen und Tresen in dieser älteste Apotheke im Kreis Paderborn, die heute in der Burgstraße residiert. In ihren Anfängen im 17. Jahrhundert handeltete es sich um eine ordenseigene Apotheke, betrieben vom Jesuitenorden. Sie war eine von vielen so genannten Kolleg-Apotheken in Zentraleuropa und Übersee.
Der Edelherr Moritz von Büren (1604-1661) hatte bekanntlich sein Hab und Gut an die Gesellschaft Jesu, also die Jesuiten, vermacht. Diese bauten 1664 das Jesuitenkolleg, das heutige Mauritius-Gymnasium, im Renaissancestil.
Auf ihren vielen Missionsreisen in der ganzen Welt brachten die Jesuiten Heilpflanzen mit ins Bürener Kolleg (heute Mauritiusgymnasium). Das wohl berühmteste Arzneimittel ist die so genannte Chinarinde, auch Jesuitenpulver genannt. Im peruanischen Lima entdeckt, heilten die Jesuiten damit sogar den Kaiser von China von Malaria.
Zunächst war aber die heilende Wirkung der Arzneipflanzen nur für die Mitbrüder bestimmt. Später kamen die Jesuiten im Sinne der Caritas auf die Idee, ihr "Vorratslager", so heißt Apotheke im Griechischen, auch für die Bevölkerung zu öffnen und die Pflanzen gegen ein Entgelt an die Bürener Bürger abzugeben. Der Vorläufer der heutigen Residenz-Apotheke war geboren. Gegenstände aus dieser Zeit können heute im Kreismuseum des Hochstifts Paderborn in der Wewelsburg bestaunt werden.
Laut den Recherchen der Apothekerin Dr. Sabine Anagnostou, Institut für Geschichte der Pharmazie an der Marburger Phillips-Universität, gehörte die Bürener Jesuitenapotheke neben dem Haus Geist nahe Oelde und der Apotheke in Münster zu den bedeutenden Institutionen der Heilmittelversorgung Westfalens.
Nachdem sich die Jesuiten zwischenzeitlich aus Büren zurückzogen, fiel die Apotheke am 12. Mai 1806 schließlich in private Hände. Erster Eigentümer wurde der aus Warburg stammende Medicus Dr. Adolf Quicken. Er ersteigerte die Apotheke und verlegte sie in die alte Residenz der Edelherren von Büren, dem heutigem Rathaus. Die Inschriften auf dem noch erhaltenen Torbogen, "Haus der Gesellschaft Jesu 1664 " und "ehemals Sitz der nichtvermählten Frauen des Hauses Büren" (Witwensitz genannt) zeugen noch heute vom Wirken der Ordensleute.
Der Apotheker Theodor Ostermann, der Großvater von Barbara Grabitz bis Ende 2005 Eigentümerin, verlegte die Apotheke im Jahr 1933 an die Burgstraße 10. Mit Ulrich Klinke steht seit wenigen Tagen ein neues Apotheker-Gesicht vor den vielen Regalen. Der gebürtige Bad Wünnenberger, ihm gehört dort die Aatal-Apotheke, passt gut nach Büren und kennt sich auch mit der Geschichte der Jesuiten aus. "Ich habe neun Jahre die Bürener Jesuitenschule besucht", sagt der 53-Jährige. Ein Berufsberater im Mauritius-Gymnasium habe ihm damals seinen Beruf schmackhaft gemacht. Als Apothekerpraktikant 1971 nach dem Abitur in Bielefeld und Elsen angefangen, studierte er in Münster Pharmazie und machte sich schließlich selbstständig. Bereut hat er es bis heute nicht. "Ich habe täglich mit Menschen zu tun und das in Verbindung mit meiner naturwissenschaftlichen Grundlage." In seiner Kräutermanufaktur hat er schon so manches Tröpfchen zusammengemixt.
Zum 200-jährigen Jubiläum als Privat-Apotheke im Mai möchte Klinke die Pflanzen aus dem ehemaligen Wurzgarten wieder nach Büren holen. Einen Platz hat er schon im Auge: den Garten der Mittelmühle.
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Dokument erstellt am 04.01.2006 um 22:52:35 Uhr
Erscheinungsdatum 05.01.2006