Wer in einer Mitgliedsverbindung der Deutschen Burschenschaft organisiert ist, die Rechtsextremisten als Referenten einlädt oder in rechtsextremen Gazetten inseriert, dem darf die Sozialdemokratie keine politische Heimat bieten. Das fordert Anton Maegerle, Experte für Rechtsextremismus in Deutschland und freier Autor (u.a. für Stern, Blick nach Rechts, Report Mainz, Panorama).
Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus in Deutschland. Kann man Burschenschafter mit politisch rechts bis rechtsradikal gleichsetzen?
Einen Generalverdacht auszusprechen ist sicherlich falsch. Zutreffend ist dagegen, dass viele Burschenschaftler ein männerbündisch geprägtes und frauenverachtend geprägtes Weltbild pflegen. Auf ultrarechtes bis rechtsradikales Gedankengut stößt man bei Mitgliedsverbindungen der knapp 15.000 Aktiven und Alten Herren der Deutschen Burschenschaft (DB). So steht z.B. die Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia unter Beobachtung des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
Wie eng sind die Kontakte zum rechtsextremen Lager?
Immer wieder werden in Kreisen der DB Referenten aus rechtsextremen Zusammenhängen eingeladen. So konnten Rechtsextremisten wie Alain de Benoist oder Reinhold Oberlercher, die in Verfassungsschutzberichten namentlich aufgeführt sind, bei der Burschenschaft Danubia auftreten. Interessanterweise ist die Domain dieser Burschenschaft auf das SPD-Mitglied Sascha Jung angemeldet.
Die Affinität nach rechts dokumentieren Mitgliedsverbindungen der DB auch durch Werbeanzeigen in einschlägigen Postillen wie der Jungen Freiheit, der Deutschen Militärzeitschrift oder Nation & Europa. In diesen Anzeigen wird auf burschenschaftliche Veranstaltungen aufmerksam gemacht oder es werden Rekrutierungsversuche betrieben. Anzeigen dieser Art schaltete z.B. die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn.
Referiert haben bei dieser Burschenschaft auch der Ex-NPD-Chefideologe Jürgen Schwab und Reinhard Uhle-Wettler, Herausgeber einer Festschrift für den Holocaustleugner David Irving. Referent bei Burschentagen, dem höchsten beschlussfassenden Gremium der DB, war u.a. der heutige FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer. Der ist auch gerngesehener Gast bei der von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründeten Gesellschaft für freie Publizistik.
Die Burschenschaftsbewegung ist älter als die SPD. Ihre Anfänge sind von demokratischem und liberalem Gedankengut geprägt. Sind Burschenschaften heute noch dieser Tradition verpflichtet?
Dieses Gedankengut findet sich noch in Kreisen der 1996 gegründeten Neuen Deutschen Burschenschaft . Bei der Deutschen Burschenschaft vermag ich dies nicht zu erkennen. Vorsitzende Burschenschaft der DB ist im Jahr 2006/07 die Innsbrucker Burschenschaft Brixia aus Österreich. Diese wird vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als akademische Vorfeldorganisation des Rechtsextremismus eingestuft. Die Burschenschaft Brixia stellt auch den Schriftleiter der von der Deutschen Burschenschaft herausgegebenen Burschenschaftlichen Blätter, dem Sprachrohr der DB. Dieser Schriftleiter, Herwig Nachtmann, Ex-Geschäftsführer des FPÖ-nahen Aula-Verlages, ist einschlägig vorbestraft wegen Verbrechens nach dem NS-Wiederbetätigungsgesetz.
Die SPD diskutiert darüber, wie die Partei mit rechten Burschenschaften umgehen soll. Ein grundsätzlicher Unvereinbarkeitsbeschluss kam nicht zustande. Wie stehen Sie dazu?
Der Abgrenzungsbeschluss des SPD-Parteivorstandes stellt eindeutig klar, dass gegen die Grundsätze der SPD und gegen Beschlüsse der Parteiorganisation handelt, wer sich in einer Mitgliedschaft des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft engagiert. Nicht nachvollziehen kann ich jedoch, dass ein Parteiausschlussverfahren erst dann in die Gänge kommen soll, wenn der SPD durch dieses Mitglied schwerer politischer Schaden entsteht.
Das klingt mir nach zuviel Kompromissbereitschaft nach dem Motto Wasch mich, mach mich aber nicht nass. Wer in einer Mitgliedsverbindung der Deutschen Burschenschaft
organisiert ist, die Rechtsextremisten als Referenten einlädt oder in rechtsextremen Gazetten inseriert, dem kann und darf die Sozialdemokratie per se keine politische Heimat bieten. Teufel und Weihwasser passen nicht zusammen.
Rechtsextremen Intellektuellen muss von Seiten der SPD entschiedener als bisher entgegengetreten werden. Denn diese sind gesellschaftspolitisch einflussreicher als die braunen Schlägertruppen auf der Straße. Das scheinen viele in der SPD oft zu vergessen.
Was halten sie von Überlegungen einiger Burschenschafter, einen Arbeitskreis Sozialdemokratischer Korperierter (AKSK) in der SPD zu gründen?
Dieser Vorschlag kommt von einem Korporierten der Burschenschaft Normannia zu Heidelberg. Als Referent konnte bei dieser Burschenschaft Peter Kienesberger, vormals Südtirol-Terrorist und Mitinitiator der zwischenzeitlich verbotenen Nationaldemokratischen Partei Österreichs, auftreten. Bei diesem Herrn wurden Angaben des Verfassungsschutzes
zufolge vor Jahren Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt.
Im Jahr 2003 druckte und verteilte diese Burschenschaft die unsägliche Hohmann-Rede. Im Jahr 2004 bedankte sich die rechtsextreme Deutsche Partei bei dieser Burschenschaft. Die Burschenschaftler hatten Unterschriften für die Deutsche Partei zur Wahlzulassung bei der EP-Wahl gesammelt. Im gleichen Jahr musste diese Burschenschaft nach öffentlichem Druck eine Veranstaltung mit dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Gerhoch Reisegger, dem Redakteur der rechtsextremen Monatszeitschrift Nation & Europa, Karl Richter, und dem vormaligen NPD-Wirtschaftstheoretiker, Michael Nier, absagen.
Die Mitgliedschaft in solch einer Burschenschaft ist mit sozialdemokratischem Gedankengut wohl nur schwer zu vereinbaren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass mehr als eine Handvoll Sozialdemokraten zugleich in solchen Burschenschaften organisiert sind. Vorstellen kann ich mir jedoch, dass sich in solch einem Arbeitskreis Sozialdemokraten zusammenschließen, die z.B. in katholischen Verbindungen organisiert sind. Dagegen wäre nichts einzuwenden.
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Fréderic Verrycken
erstellt am 26.01.2006