Löschen mit Benzin

"Die Welt in Aufruhr" schreibt selbst die doch sonst eher betuliche "Zeit" zum ausufernden Konflikt um die wenig originelle Karikaturen in einer dänischen Provinzzeitung. Die Welt? Haben wir es nicht ein wenig kleiner da?

Dass im Iran, in Syrien, protestierende Massen die Straßen und Plätze füllen, kann nicht überraschen. Diese und ähnliche islamische Regimes instrumentalisieren ganz unverhüllt den Protest für ihre politischen Zwecke. In diesen Ländern, in denen nicht einmal ein Schachturnier ohne Zustimmung der Herrschenden organisiert werden könnte, kann sich ein derartiger Protest überhaupt nur mit staatlicher Billigung und Förderung artikulieren. Die täglich auch bei uns im Fernsehen gezeigten Bilder haben aber wenig mit der Lebenswirklichkeit der 1,3 Milliarden Muslime der Welt zu tun.

Doch auch westliche Medien gießen weiter eifrig Öl ins Feuer. So leistete sich jetzt das französische Satireblatt "Charlie Hebdo" eine skandalträchtigen Vertriebscoup und verkaufte innerhalb weniger Stunden über 400.000 Exemplare einer Ausgabe mit den dänischen und eigenen Mohammed-Karikaturen. "Bild" macht heute mit der Riesenschlagzeile auf: "Iran hetzt. Merkel ist wie Hitler." Der ganze Iran? Nicht das Regime, dem dieser Konflikt wie gerufen kommt?

Und darf man das Blatt mit den großen Buchstaben daran erinnern, dass in seiner Ausgabe vom 5. Februar ein Bericht von der Sicherheitskonferenz in München die Überschrift trägt: "Merkel vergleicht Iran mit Hitler-Deutschland".

Die Ajatollahs haben ganz offensichtlich kein Monopol auf schiefe historische Analogien.

Auch Bilder erscheinen beliebig ausdeutbar. Der aktuelle "Stern" druckt das Photo oben mit der Unterschrift: "Ein Geistlicher heizt die Stimmung aufgebrachter Gläubiger in der libanesischen Hauptstadt an." Die "Berliner Zeitung" macht dagegen darauf aufmerksam, dass sie und andere Blätter ebenso wie die Agentur AFP zu dem Bild "Ein islamischer Geistlicher versucht die Menge zu beschwichtigen" geschrieben hatten. Ein Vorgang – zwei Wahrheiten?

Werner Loewe
erstellt am 09.02.2006