„Wir können zeigen, dass es ohne Kernenergie geht“

„Wir können zeigen, dass es ohne Kernenergie geht“

Wo waren Sie, als Sie von der Katastrophe erfuhren?

MECHTILD ROTHE: Ich war damals noch nicht lange Mitglied des Europäischen Parlamentes und mit einem Kollegen in Bayern, wo wir landwirtschaftliche Betriebe besucht haben. Als wir von dem Unfall erfuhren, war da nur pures Entsetzen.

Wie wird die Atomenergie heute innerhalb der EU bewertet?

ROTHE: Es besorgt mich, dass der Schock von Tschernobyl bei vielen in Vergessenheit geraten ist und seit einiger Zeit eine neue Diskussion zur Kernenergie läuft, die diesen Hintergrund völlig ausschaltet. Dazu bedient man sich zweier Argumente: des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit. Beide sind falsch. Klima kann man nicht mit einer Technologie schützen, die selbst in einer solchen Weise Gefahren in sich birgt. Und auch der Uranabbau schädigt die Umwelt. Zur Versorgungssicherheit: In Europa wird zwar ein Drittel der Elektrizität mit Atomkraft gewonnen, wir haben aber genügend andere, erneuerbare Energien, um diesen Anteil zu ersetzen.

Ein GAU, hat man in Tschernobyl gesehen, ist immer ein länderübergreifendes Problem. Deutschland propagiert den Ausstieg – was machen die Nachbarn?

ROTHE: Etwa die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten nutzt gar keine Atomenergie und von den anderen werden einige aussteigen. Die Risiken sind einfach enorm, auch die Kosten sind enorm. Gerade ein so großes Land wie Deutschland kann hier zeigen, dass es auch ohne Kernenergie geht.

Für die Energiewirtschaft rechnet sich die Kernkraft erst jetzt, nach langer Laufzeit. Die Betreiber drängen auf Verlängerung.

ROTHE: Dem müsste der Bundesumweltminister zustimmen, und ich gehe davon aus, dass er das nicht tun wird. Es gab einen klaren Plan im Einvernehmen mit der Wirtschaft und an den soll man sich auch halten. Darin ist auch festgelegt: Je älter die Kernkraftwerke sind, umso eher müssen sie abgeschaltet werden; die würden so heute gar nicht mehr genehmigt. Wir haben die Möglichkeit, uns von einer gefährlichen Technologie zu verabschieden und sie Schritt für Schritt durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Und natürlich: Energie sparen.