Zeitzeuge gibt Geschichte ein Gesicht

Jugendmitarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde St.-Stephanus Borchen stellen im Statuentheater Angst, Flucht und Trauer dar.

Kalt ist es am ehemaligen Appellplatz an der Ahornstraße. Im Rollstuhl sitzend in eine Decke gehüllt verfolgt Leopold Engleitner – der 102-Jährige ist einziger Überlebender des Konzentrationslagers Niederhagen – die Gedenkfeier anlässlich der Befreiung der Häftlinge vor 63 Jahren.

Die Veranstalter sind der Wewelsburger Verein wider das Vergessen und für Demokratie und die Stadt Büren. Rund 130 Menschen, darunter auch Schüler zweier Klassen vom Lippe-Berufskolleg aus Lippstadt, sind stumme Betrachter der Szenerie. Während die Folkgruppe "Hörbar" aus Tudorf nachdenkliche Klänge zur Untermalung erklingen lässt, bereiten sich einige Jugendmitarbeiterinnen und Mitarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde St. Stephanus Borchen auf ihren Beitrag vor.

Seit Januar haben sie zusammen mit dem Theaterpädagogen Andreas Mischok vom Kreismuseum Wewelsburg ein Statuen-Theater mit dem Motto "Schaut hin" eingeübt. Ganz in schwarz gekleidet klettert einer nach dem anderen auf eine kleine Bühne, um eine menschliche Statue darzustellen. Die jungen Leute stellen Angst, Flucht, Unterdrückung und Trauer mit ihrer Mimik und Gestik dar – Gefühle, mit denen die KZ-Häftlinge wie Engleitner permanent konfrontiert waren. Beklemmung macht sich breit.

"Wir möchten ein Zeichen setzen. So etwas darf nie wieder passieren", sagt die 16-jährige Lena Krabbe aus Nordborchen. Und ihre Mitstreiterin Charlotte Weber bekannte am Rednerpult: "Es erfüllt mich mit Trauer und Scham und es geschah in der Nachbarschaft."

Die Nachbarn, die Wewelsburger, seien damals kalt erwischt worden, sagte Prof. Dr. Harald Schroeter-Wittke von der Fakultät Kulturwissenschaften an der Uni Paderborn. Durch KZ-Überlebende wie Engleitner bekomme die Geschichte ein Gesicht, führte der evangelische Theologe aus.

Einen Aufruf, stets wachsam zu sein, machte Gerlinde Rüther, Vorsitzende vom Verein wider das Vergessen und für Demokratie. Sie forderte Mut ein, in einer multikulturellen Welt zu leben. Bürgermeister Wolfgang Runge lobte die Teilnahme vieler junger Menschen an der Gedenkveranstaltung. "Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft. Es ist unsere Aufgabe, die Jugend zu unterrichten, damit so etwas wie damals nicht mehr passiert." Als kleines Dankeschön für den Besuch hatte er für den weitgereisten Leopold Engleitner ein Glasblock der Stadt Büren und einen Band mit Luftaufnahmen des Kreises Paderborn mitgebracht. Volker Kohlschmidt warb im Anschluss um weitere Mitglieder für den Gedenk-Verein. Zurzeit hat er 70 Mitglieder.

Der im österreichischen Bad Ischl aufgewachsene Engleitner reiste im hohen Alter 82.000 Kilometer als Zeitzeuge durch Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Burgsaal der Wewelsburg knüpfte der 102-Jährige daran an und stellte seine neugefasste Biographie vor. Gezeigt wurde auch ein Film über seine Vortragstour.

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Dokument erstellt am 03.04.2008 um 17:09:00 Uhr
Erscheinungsdatum 04.04.2008 | Ausgabe: PADERB | Seite: 02