Die Pest löscht Ortschaft aus

Richard Stratmann braucht mal Entspannung von seinerForschung. Dann greift er zum Meißel und behaut Steine, in die er zum Beispiel das Wappen derer von Diderikeshusen meißelt. Der Stein rechts unter dem Wappen stammt aus Diderikeshusen.

Mitte des 14. Jahrhunderts forderte der Schwarze Tod seinen Tribut: Ganze Familien, ja komplette Ortschaften fielen der Pest zum Opfer. Auch die Sippe Gobele von Diderikeshusen wurde weitgehend ausgelöscht – und mit ihr das gleichnamige Dorf Diderikeshusen, ganz in der Nähe vom heutigen Steinhausen.

Im Jahr 1350 zog die Seuche durch das Land. Drei Jahre später verkaufte der "Knappe von Diderikeshusen" seinen Besitz von 14 Höfen an das Busdorfstift. Der Kaufpreis, den eine Urkunde vom 27. November 1353 überliefert, betrug 30 Mark Bürener Pfennige. "Das war ein Spottpreis für ein ganzes Dorf", sagt der Pensionär Richard Stratmann aus Steinhausen, der sich in den 80er Jahren durch die Geschichte der ehemaligen Ortschaft grub und weiter forscht. Wie gering der Preis ist, belegt eine Urkunde, die nur vier Jahre zuvor ausgestellt wurde: 1349 verkaufte die Familie 46 Morgen Land, etwa die Größe von eineinhalb Höfen – für acht Mark Bürener Währung.

Mit dem Verkauf der Siedlung an das Busdorfstift enden die Spuren der Ortschaft – und der Familie in der Geschichte. Um 1699 gibt es noch eine urkundliche Erwähnung des Siedlungsareals. Dort soll es zwei Höfe gegeben haben. Stratmann: "Das kann durchaus sein, früher sagten die Leute: ,Wir gehen zu den Höfen’, wenn sie meinten, dass sie Richtung des ehemaligen Diderikeshusen gehen." Die Höfe gehörten den Junkern von Büren, noch heute heißt die Parzelle "Junkernstück", sagt Stratmann.

Die Familie Gobele von Diderikeshusen war offenbar sehr reich. Sie waren Ministerialen, niederer Dienstadel. Menga von Diderikeshusen etwa wohnte in einem prächtigen Haus in Büren und hatte den Beinamen "Der Reiche", schildert Stratmann. Schon in der Bürener Gründungsurkunde sind die Namen der Familie aufgezeichnet. Wie alt der Ort Diderikeshusen ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Die Quellen fehlen. Anhand der Endung "husen" könne gefolgert werden, dass es eine sächsische Siedlung ist, die 8. oder 9. Jahrhundert entstanden ist.

Wie unsicher die Lage gewesen ist, belegt die dritte Urkunde, die von Diderikeshusen berichtet. Sie stammt aus dem Jahr 1332. Darin schreibt ein Gyso von Brobicke, dass er den Ort überfallen und "vernichtet" habe. Das Schreiben geht an die Schwestern im Kloster Holthusen, denen er versichert, dass er den Angriff nicht aus Feindschaft ihnen gegenüber eingeleitet habe. Vielmehr seien die "Bauern Freunde der Herren von Büren". Bei seinen Grabungen hat Stratmann mehrere Brandschichten gefunden. Eine könnte also sehr gut aus dem Jahr 1332 stammen.

Wie reich nicht nur die Familie, sondern auch ihre Ortschaft gewesen sein muss, zeigen die Funde aus der damaligen Zeit. So hatte ein Haus zum Beispiel einen Anbau aus Stein, in dem eine Fußfessel gefunden worden ist. "Das zeigt, das dort auch Gefangene untergebracht waren", sagt Stratmann.

Grund für den Reichtum könnte die gute Lage der Ortschaft gewesen sein. Sie lag ein einer Wegekreuzung, das heißt, dass dort gehandelt worden ist. Weiteres Indiz für Reichtum ist die Anzahl der Pferdeknochen, die auf dem Areal entdeckt worden sind. Es sind die Überreste von 110 Tieren – "und Pferde waren im Mittelalter sehr wertvoll", sagt Stratmann.

Überhaupt hatte die Familie viel Einfluss. Mitte des 13. Jahrhunderts waren gleich vier Brüder in zwei Klöster tätig. Ludwig von Diderikeshusen war zunächst Schreiber im Kloster Weddinghausen, in dem sein Bruder Hartmodus Vorsteher war. Später wechselte Ludwig als Prior ins Frauenkloster Rumbike. Für Stratmann ist jener Schreiber Ludwig der Scriptor, dem eine Wissenschaftlerin als einen Dichter der Dietrichsaga nennt. "Sicher ist das nicht, aber die Namen in der Sage deuten vielfach auf Ortschaften und Personen in unserer Gegend hin."

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Dokument erstellt am 15.05.2008 um 18:15:57 Uhr
Erscheinungsdatum 16.05.2008 | Ausgabe: PADERB | Seite: 02