Die kleinste Recheneinheit

Der Minister kam mit gut einer Viertelstunde Verspätung: SPD-Stadtverbandsvorsitzender Martin Pantke, Vizebürgermeister Josef Hackfort und die Bundestagsabgeordnete Ute Berg (v. l.) begrüßten Peer Steinbrück am Abend vor dem Kolping-Forum

Bei wahlkämpfenden Politikern, die in der gegenwärtigen Finanz- und Konjunkturkrise saftige Steuererleichterungen versprechen, ist laut Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) Vorsicht geboten: "Glauben Sie denen nicht. Ich verspreche Ihnen nix. Also glauben Sie mir", lautete sein Rat an die mehr als 400 Zuhörer, die gestern Abend im überfüllten Kolping-Forum zum Teil mit Stehplätzen Vorlieb nehmen mussten.

Ebenso wenig sollten die Bürger Aussagen glauben schenken, die Krise sei übermorgen vorbei. Aber wann ist sie vorbei? Steinbrück: "Ich weiß es nicht."

Mit der Bemerkung, er werde sich an diesem Tag jede lautmalerische Äußerung zu irgendwelchen Punkten der Welt verkneifen, leitete der Minister – zur Erheiterung des Publikums – seinen Vortrag zum Auftakt des Forums „Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise“ des SPD-Wissenschaftsforums OWL ein. Damit spielte er auf seine jüngsten spitzen Bemerkungen über Steueroasen an, mit der er sich Kritik aus dem In- und Ausland zugezogen hatte. Er hatte Luxemburg, Österreich und die Schweiz mit einem Atemzug mit Ouagadougou, der Hauptstadt des afrikanischen Staates Bukina Faso, genannt.

Gestern sorgte Steinbrück etwa mit dieser Bemerkung für Schmunzeln im Saal: „Eine Milliarde scheint zur kleinsten Recheneinheit der Republik geworden.“ Aber er wurde auch ernst: Der 500 Milliarden schwere Rettungschirm, den die Regierung für die deutschen Banken aufgespannt habe, solle verhindern, dass es zu einer "Erschütterungsdynamik" komme, "die uns die Beine wegfetzt".

Wenn die soziale Marktwirtschaft die nächsten 60 Jahre Bundesrepublik überstehen solle, müsse ein „austariertes Verhältnis von Staat und Markt“ gefunden werden, müssten „Verkehrsregeln“ und "Leitplanken" für die Märkte gesetzt werden.

Auch Politik in Deutschland habe sich viel zu lange dem Paradigma der Deregulierung der Märkte und der Dominanz der Liberalisierung „ergeben“, räumte der Minister selbstkritisch ein. Aber es sei auch nicht so, dass etwa Wirtschaftswissenschaftler in den letzten 12 Jahren die Politik motiviert hätten, Spielregeln für die Finanzmärkte zu erlassen. „Und eine Partei, die hinter jedem Buchstaben einen Punkt hat, war auch nicht sehr hilfreich“, nahm Steinbrück die FDP ins Visier.

Allerdings: Im Februar 2007 beim G-7-Gipfel in der Essener Villa Hügel habe die Bundesregierung mehr Transparenz auf den Finanzmärkten zum Thema machen wollen. Dort aber hätten die Finanzminister aus Kanada, Großbritannien und den USA ihrem deutschen Kollegen jovial auf die Schulter geklopft: "Ihr Deutschen wollt immer alles regulieren."

Er kennt Paderborn

Peer Steinbrück (62), seit November 2005 Vizechef der SPD und Bundesminister der Finanzen, kennt Paderborn aus anderer Funktion: In seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (2002 bis 2005) lud er im Dezember 2004 zu einem festlichen Adventskonzert der Landesregierung in die Neuhäuser Pfarrkirche St. Heinrich und Kunigunde und zu einem Empfang ins Schloss ein. Im Mai 2005 kam er im Landtagswahlkampf erneut nach Paderborn.

Bericht über die Forums-Diskussion in der Montagausgabe.

© 2009 Neue Westfälische
Paderborner Kreiszeitung, Samstag 09. Mai 2009