„Amsterdam wäre eine Alternative“

Selbstbewusster Start: Elmar Kleinert vor dem Gebäude des Airports Paderborn/Lippstadt.

Elmar Kleinert (47) ist seit vier Monaten Geschäftsführer des Flughafens Paderborn/Lippstadt. Der gebürtige Paderborner, der in Willebadessen-Peckelsheim aufwuchs und zuvor für das Geschäftsfeld Aviation der beiden Berliner Flughäfen zuständig war, übernahm das Ruder in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit. Mit ihm sprach Simone Flörke über seine ersten Wochen im neuen Job.

Herr Kleinert, wie lautet die persönliche Bilanz Ihrer ersten vier Monate als Geschäftsführer des Flughafens?

ELMAR KLEINERT: Die aus meiner Sicht wichtigsten Themen und Projekte, wie zum Beispiel die Runway-Verlängerung, Neuausrichtung einer Vertriebs- und Marketingorganisation oder diverse Maßnahmen mit dem Ziel, unsere Kosten- und Erlös-Positionen zu optimieren, sind in der Umsetzung. Andere Projekte, die gleichermaßen wichtig sind, wie zum Beispiel die Überarbeitung unseres Non-Aviation-Konzepts sind in der Planung. Unter dem Non-Aviation-Konzept versteht man alle Geschäftsfelder, die nicht aus dem reinen Flugbetrieb resultieren und für die Erlös-Situation des Flughafens relevant sind. Insgesamt war es bis jetzt, auch aufgrund der schwierigen Branchensituation, ein fulminanter Arbeitsbeginn, so dass sich die Frage nach dem Ob und Wie des Einlebens nicht mehr stellt. Ich bin zufrieden.

Was hat Ihre Arbeit in diesen drei Monaten besonders geprägt und Ihre Zeit besonders in Anspruch genommen?

KLEINERT: Als alleiniger Geschäftsführer für ein komplexes Unternehmen wie einen Flughafen empfinde ich großen Respekt für meinen Vorgänger, der über Jahrzehnte diese Position innehatte. Ich persönlich arbeite besonders gern team-orientiert und weiß, dass oft der entsprechende Mitarbeiter an vorderster Front für problematische Situationen die beste Lösung kennt. Das Schaffen einer Unternehmensstruktur und -kultur, die dieser Erkenntnis Rechnung trägt, halte ich für meine vornehmste Aufgabe. Besonders in schwieriger Zeit gilt der Grundsatz: Die Stimmung muss besser sein als die Lage.

Sie sind ja in einer sehr schwierigen Zeit an den Start gegangen. Wie hatten Sie sich darauf eingestellt?

KLEINERT: Ehrlich gesagt gar nicht. Im Vorfeld sich sorgen oder problematisieren ist nicht hilfreich. Am Anfang steht das Wagnis.

Es war die Rede von 11 Prozent minus bei den Fluggastzahlen in dieser Zeit. Liegt das allein an der Wirtschaftskrise?

KLEINERT: Das Wort Wirtschaftskrise trifft die Situation nur unzureichend. Speziell im Luftverkehr sprechen wir von nichts weniger als der größten Rezession, die es seit Beginn der kommerziellen Luftfahrt je gegeben hat. In diesem Jahr werden Milliarden an Werten in dieser Branche vernichtet. Auslöser dafür ist natürlich die weltweite Wirtschaftskrise, aber der Bereich Luftfahrt ist besonders hart betroffen. Die gegenwärtige Rezession ist allerdings nicht der Grund, warum der Flughafen jetzt im vierten Jahr einen Verkehrsrückgang verzeichnet hat. Dies muss genau analysiert werden.

Wie aber kann der Flughafen Paderborn/Lippstadt dies kompensieren? Wie gehen Sie damit um?

KLEINERT: Wir befinden uns in einer sehr stürmischen Zeit, was unsere Branche angeht. Unser Schiff – wenn ich dieses Bild benutzen darf – steuert Kurs Kap Horn. Und alle sind damit beschäftigt, das Schiff sturmfest zu machen und das Ölzeug rauszuholen. Wir müssen die Krise managen (Verschlankung, Kosteneinsparungen) und uns gleichzeitig mit neuen Konzepten für die Zeit nach der Rezession vorbereiten.

Wie tief hat Sie die Entscheidung aus Münster zum Thema Nachtflug im Planfeststellungsbeschluss getroffen? Sehen Sie diese Entscheidung als eine verpasste Chance?

KLEINERT: Die Nachtflugregelung, so wie sie in der neuen Planfeststellung vorgesehen ist, bedeutet eine Verschlechterung, die ich bedauere, aber die uns noch nicht in der wirtschaftlichen Existenz berührt. Eine davon abweichende Veränderung, so wie sie sich der ein oder andere Kläger gegen die Planfeststellung wünscht, wäre für uns ein wirtschaftlich nicht zu kompensierender Wettbewerbsnachteil. Man kann es an anderen Flughäfen beobachten, dass überzogene Einschränkungen bei den Betriebszeiten zu Millionenverlusten für die Kommunen führen. Vermeintliche Vorteile für wenige werden zu einer großen Zeche, die dann alle bezahlen sollen. Dieser Verlust an Gemeinschaftssinn ist zu bedauern, gerade wenn es um eine der wichtigsten Infrastruktureinrichtung der Region und seiner Entwicklung geht.

Nun hat auch noch die Lufthansa die wichtige Verbindung Paderborn – Frankfurt gekappt. Ein wichtiges Drehkreuz besonders für de heimische Wirtschaft fällt damit zum 1. Juli weg. Ein weiterer Schlag ins Kontor für Paderborn/Lippstadt?

KLEINERT: Natürlich ist der Wegfall der Frankfurt-Strecke ein Verlust. Allerdings werden wir mehr als 80 Prozent der bisherigen Verbindungen über Frankfurt auch über München darstellen können. Derzeit haben wir vier tägliche Flüge in die bayerische Hauptstadt. Bei einem kürzlichen Besuch bei Lufthansa Bereichsvorstand Garnadt wurde mir sehr detailliert die wirtschaftliche Kalkulation der Strecke Paderborn – Frankfurt dargelegt. Bei einem Defizit auf dieser Strecke von über zwei Millionen Euro verhält sich die Lufthansa nicht anders als andere Unternehmen in dieser schweren wirtschaftlichen Phase: Verlustbringer werden eingestellt. Es muss auch unserer regionalen Wirtschaft klar sein, dass nur wenn wir die Angebote aus unserem Flughafen konsequent nutzen, wird sie auch dauerhaft etabliert bleiben. Natürlich legen wir die Hände darüber hinaus nicht in den Schoß, sondern kümmern uns verstärkt um Alternativen.

Sie sagten daraufhin, Sie wollen neue Märkte und Zielgruppen erarbeiten und ansprechen. Welche Rolle könnte dabei Amsterdam als ein neues mögliches Drehkreuz für Flüge aus Paderborn spielen?

KLEINERT: Das wäre zum Beispiel eine solche Alternative. Seitdem ich am Flughafen Paderborn arbeite, werde ich oft von Menschen angesprochen, die eine Verbindung nach Amsterdam wünschen. Inzwischen weiß ich natürlich, dass es mal eine sehr gut funktionierende Anbindung nach Amsterdam gegeben hat. Wir hören gut zu und arbeiten inzwischen intensiv an einer Wiederaufnahme dieses Zieles. Man muss aber auch wissen, dass im Augenblick kaum eine Airline bereit ist, neue Strecken aufzunehmen und sich in finanzielle Abenteuer zu stürzen. Mittel- und langfristig halte ich es aber nicht für ausgeschlossen.

Welche neuen Zielgruppen haben Sie dabei für den Airport im Blick? Und wie wollen Sie sie ansprechen?

KLEINERT: Um zielgruppenaffine Produkte anzubieten, muss man erstmal seine Zielgruppen kennen. Aktuell bitten wir jeden Fluggast, der bei uns abfliegt, einen kleinen Interview-Bogen auszufüllen, um bis zum Ende des Jahres mehr über unsere Gäste zu erfahren. Sicher ist wohl, dass von uns aus – neben dem Linienangebot nach München – vor allem Reisen mit touristischer Ausrichtung angetreten werden. In diesem Fall sind oft Hotels und Leihwagen gleich mitgebucht. Gäste, die nur einen preisgünstigen Flug ohne Pauschalpaket antreten wollen und direkt übers Internet buchen, sind mit unserem Angebot noch nicht ganz zufrieden. Hier wollen wir besser werden. Es ist schön, dass der Flughafen preiswerte oder kostenlose Parkplätze zur Verfügung stellt. Unser Image, unser Bild in der Öffentlichkeit sollte jedoch nicht darauf reduziert werden, der billige Parkplatz zu sein. Die Stärken des Flughafens werden wir besser herausstellen und über eine gestärkte Marketing- und Vertriebsorganisation gerade in den Randlagen unseres Einzugsgebietes Boden gut machen.

Wie und wo sehen Sie die Zukunftsperspektiven des Flughafens Paderborn/Lippstadt?

KLEINERT: Die Bedrohung für unseren schicken Flughafen ist nicht Dortmund, Münster oder Hannover. Dies sind Wettbewerber, denen wir uns selbstbewusst stellen. Die Bedrohung ist politischer Natur und lautet „Neubau eines Regionalflughafen in Calden“. Hier werden über gigantische Subventionen Markt und Wettbewerb ausgehebelt. Wir haben zwei Jahre Zeit, uns mit neuen Konzepten, neuen Strecken und neuen Services als der zukünftig bessere Partner zu positionieren. Diese Zeit haben wir bereits jetzt begonnen, intensiv zu nutzen. Im Spannungsfeld von Gefühlsbindung an den Airport und echtem Mehrwert unseres Dienstleistungs-Angebotes wollen wir zukünftig als der Sieger bei der Kaufentscheidung – und damit der Abstimmung unserer Kunden – hervorgehen.
Selbstbewusster Start: Elmar Kleinert vor dem Gebäude des Airports Paderborn/Lippstadt.

© 2009 Neue Westfälische
Paderborner Kreiszeitung, Mittwoch 08. Juli 2009