30 Jahre sind genug: Runge räumt den Rathaus-Chefsessel

Fast 30 Jahre lang hat er an der Spitze der Bürener Stadtverwaltung gestanden. Nun geht die Zeit im Chefsessel des Rathauses für Wolfgang Runge zu Ende. Bei der Kommunalwahl ist der 62-Jährige nicht für eine dritte Amtszeit als Bürgermeister angetreten. Im Gespräch mit Hanne Reimer schaut er zurück – und auch in die Zukunft.

Woran werden Sie besonders zurückdenken?

Wolfgang Runge: Es gibt nicht das eine, große Ereignis. Als ich in Büren angefangen habe, war die kommunale Neugliederung gerade erst fünf Jahre her. Büren hatte den Kreissitz verloren, was viele als eine Niederlage empfanden. Arbeitsplatzverluste mussten ausgeglichen werden. Es herrschte eine gewisse Lethargie.

Der Ausbau des Industriegebietes West hatte oberste Priorität. Durch eine aggressive Wirtschaftsförderung, die in meinen Händen lag, gelang es, viele neue Betriebe anzusiedeln, die noch heute einen wesentlichen Teil unseres wirtschaftlichen Rückgrates bilden. Rückschauend kann ich sagen, diese Aufgabe ist gut gelungen. Das Gleiche gilt auch für den Gewerbepark am Flughafen.

Was stand nach den Anfangsjahren im Vordergrund?

Wolfgang Runge: Investitionen in die Bildung waren und sind wichtig. Heute lernen täglich 5000 Schüler in Büren. Wir haben 1974 das Schulzentrum gebaut, ich selbst war lange Vorsitzender des Trägervereins des Mauritius-Gymnasiums. Wenn man, wie ich, noch einmal kleine Kinder hat, schärft das das Bewusstsein für das Thema Schule und Betreuung.

Auch das ehemalige Nato-Areal im Stöckerbusch dürfte Sie in den Anfangsjahren beschäftigt haben.

Wolfgang Runge: Ab 1987 gab es massiven Protest in der Bevölkerung. Die Menschen hatten den Verdacht, dass dort Atomwaffen gelagert würden. Rückblickend denke ich, dass da auch etwas dran war. Nachdem die Nato dann abgezogen war, galt es im Zuge der Konversion eine neue Nutzung zu finden. Angesichts der vielen Aussiedler und Asylbewerber, die damals nach Deutschland kamen, wurde auch über ein offenes Asylbewerber-Sammellager nachgedacht. Doch dagegen formierte sich Protest in der Bevölkerung. 1992/93 schließlich wurde die Abschiebehaftanstalt eingerichtet.

Glaubt man alteingesessenen Bürenern, sollen die Protest-Demonstrationen dagegen früher viel massiver gewesen sein als heute.

Wolfgang Runge: Das ist richtig. Beim ersten Mal herrschte absolutes Chaos. Viele Gebäude wurden beschädigt. Heute leisten der Beirat der JVA und viele Ehrenamtliche wertvolle Arbeit. Außerdem muss man sehen, dass durch die Haftanstalt und Private-Public- Partnership viele Arbeitsplätze entstanden sind, vor allem im Sicherheitsbereich.

Ein Aufreger-Thema war vor einigen Jahren die geplante Einrichtung einer Forensik im Stöckerbusch. Wie haben Sie diese Diskussion erlebt?

Wolfgang Runge: Dieser Wunsch wurde sehr massiv an die Stadt herangetragen. Ich habe damals von Anfang an gesagt: Das wird in Büren nicht geschluckt. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung eine solche Einrichtung trägt – und das war in Büren eben nicht der Fall. In einer Sondersitzung hat der Rat schließlich abgestimmt und die Forensik abgelehnt. Ich habe den Verantwortlichen des Landes dann Alternativen in meiner alten Heimat, zwei Standorte in Ennigerloh und Rheine, vorgeschlagen. In einer ehemaligen Kaserne in Rheine wurde die Forensik schließlich eingerichtet. Und dort ist sie auch akzeptiert.

Den Flughafen haben Sie ja von Anfang an begleitet. Wie denken Sie daran zurück?

Wolfgang Runge: Da gab es viele spannende Fragen. Es war schön, etwas von Beginn an mitgestalten und voranbringen zu können. Als Vorsitzender der Fluglärmkommission habe ich auch inhaltlich viel gelernt – ideal für mich, denn ich interessiere mich sehr für technische Fragen.

Das in Büren heute wohl am meisten diskutierte Thema ist der Einzelhandel. Wie sehen Sie die Entwicklung vor dem Hintergrund der Vergangenheit?

Wolfgang Runge: Das Thema ist ja nicht neu, sondern es hat mich von Anfang an begleitet. Einige Bürener Einzelhändler der Innenstadt haben sich früher einmal an der Fürstenberger Straße versucht und sind gescheitert. Zugleich wollten wir einen Supermarkt mit Magnetwirkung in die Innenstadt holen, was schließlich durch die Initiativen der Firma Klingenthal und der Familie Goedde-Menke ja auch geglückt ist. Die Stadt hat damals die Tiefgarage gebaut.

Es ist heiß umstritten, ob nun die Einzelhandelssperre an der Fürstenberger Straße fallen soll. Wie ist Ihre Meinung?Wolfgang Runge: Zunächst ist das Verfahren ja noch offen. Man muss allerdings bedenken, dass Büren ein Mittelzentrum für bis zu 50 000 Menschen ist und der Versorgungsanspruch sich ja nicht nur auf die Innenstadt bezieht.

Ich bin generell der Ansicht, man sollte Schlagwörter wie »Tod der Innenstadt« streichen. Das erweckt ein falsches Bild. Es gibt in der Innenstadt ein stattliches Einzelhandelsangebot, das sich nicht zu verstecken braucht.

Was wird Ihnen fehlen, wenn Sie in einigen Tagen Ihren Arbeitsplatz räumen?

Wolfgang Runge: Vermissen werde ich die Geborgenheit des Rathauses und meines Büros. Das war immer mein zweites Zuhause mitten in der Stadt. Meine Aufgabe hat mir Freude gemacht. Es war eine schöne Zeit, in der ich mich stets ein bisschen wie der Chef eines mittelständischen Unternehmens gefühlt habe.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger Burkhard Schwuchow mit auf den Weg?

Wolfgang Runge: Ich habe bereits vor der Wahl 2004 erklärt, dass ich nur noch für fünf weitere Jahre zur Verfügung stehe. Nun ist es gut, eine neue Handschrift zuzulassen, neue Leute ans Ruder zu lassen. Ich wünsche meinem Nachfolger viel Glück. Und ich kann ihm versichern, dass er auf eine gute und loyale Mannschaft im Rathaus bauen kann. Die Bürener Bevölkerung geht viele Wege mit, wenn sie die Argumente überzeugen. Die Stadt hält zusammen.

Wie wird Ihr Alltag nach dem Abschied vom Bürgermeisteramt aussehen?

Wolfgang Runge: Es ist jetzt Zeit, loszulassen. Ich fühle mich allerdings noch so vital, dass ich gern noch etwas Neues beginnen möchte. Ich plane eine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Außerdem freue ich mich aber darauf, in Zukunft mehr Zeit für die Familie und Freunde zu haben, vor allem am Wochenende. Und wer weiß: Vielleicht schreibe ich ja auch die eine oder andere Kurzgeschichte. Und um mit einem Gerücht aufzuräumen: Ich werde natürlich nicht aus Büren wegziehen. Warum sollte ich? Hier ist meine Heimat.

Artikel vom 25.09.2009