Kein Verständnis für Ratsbeschluss

Chefarzt Dr. Ingo Klemens und die Allgemeinmedizinerin Claudia Rüter sind stocksauer. „Man hat uns kurz vor dem Ziel abgewürgt“, sagt Rüter. „Wir hatten den Interessenten schon an der Angel, aber der Rat hat die Schnur noch durchgeschnitten“, ergänzt Klemens. Seitdem sich der Stadtrat am vergangenen Donnerstag gegen weitere Finanzmittel für das insolvente St.-Nikolaus-Hospital ausgesprochen hat (die NW berichtete), kocht in den beiden Ärzten die Wut hoch.

„Die Hälfte der 17 Ärzte in Büren ist über 57 Jahre alt. Viele werden Probleme haben, einen Nachfolger zu finden. Zwei von ihnen sind sogar schon im Rentenalter, praktizieren aber weiter“, sagt Rüter. Büren werde, da ist sich die frühere Sprecherin der Ärzte im Kreis Paderborn sicher, in den nächsten Jahren unter einer eklatanten ärztlichen Unterversorgung leiden.

Als Hausarzt im ländlichen Gebiet tätig zu sein, ist heute wenig attraktiv. Daher sollten die jungen Mediziner mit einem Köder in Form eines modernen Gesundheitszentrums angelockt werden. Der Neubau, in dem mittelfristig das Krankenhaus integriert werden sollte, hätte in rund 18 Monaten stehen können. Bis dahin wäre der Betrieb im St.-Nikolaus-Krankenhaus an gewohnter Stelle als Übergangslösung weitergelaufen.

„Ein Fachzentrum mit verschiedenen Ärzten wäre modern, die Nähe eines Krankenhauses hätte die Attraktivität des Standortes Büren sowohl für junge Ärzte als auch deren Patienten merklich gesteigert“, sagt Klemens. „Es wäre ein Schritt in die Zukunft gewesen“, ergänzt der Chefarzt.

Dies habe ihm auch die Kassenärztliche Vereinigung bestätigt. Büren war als Musterobjekt für andere ländliche Regionen vorgesehen. Lediglich an einem weiteren, medizinisch unterversorgten Ort in NRW habe man die finanziellen Mittel für den Bau eines Gesundheitszentrums genehmigt.

„Es gab praktisch kein Gremium, das dieser Idee nicht zugestimmt hat. Alle saßen in einem Boot, nur der Stadtrat nicht“, moniert Rüter. „Ich bin angesichts der vielen Arbeit, die wir in die Ideen zur Weiterführung des Krankenhauses gesteckt haben, empört über diese Entscheidung“, sagt Rüter. Man habe sich mitten im Lauf befunden und bereits gute Zwischenergebnisse erzielt.

„Wir hätten nur noch ein oder zwei Monate gebraucht“, sagt Klemens. Zuletzt habe es drei ernsthafte Interessenten, darunter ein Ärztekonsortium und das Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn, gegeben. „Die Investoren lassen sich natürlich nicht unter Duck setzen“, sagt Rüter. Es bleibt nun abzuwarten, wie diese auf die aktuelle Entwicklung reagieren.

„Es ist mir schleierhaft, wie der Rat so entscheiden konnte. Die CDU hat die absolute Mehrheit im Rat und lässt ihren Bürgermeister derart vor die Wand laufen“, sagt Klemens verwundert. Stadtoberhaupt Burkhard Schwuchow habe sich bei der Suche nach einer Lösung wirklich sehr viel Mühe gegeben.

Bis zum 30. September wird das St.-Nikolaus-Hospital noch Patienten aufnehmen, danach ist Schluss. „Vielleicht sind wir dann noch bis Ende Oktober in Betrieb, bis der letzte Patient das Haus verlassen hat“, sagt Chefarzt Klemens betrübt. „Danach kriegen wir das Ding wohl nicht mehr zum Laufen“, schätzt er. Mit der Marseille Kliniken AG, die 2006 das Hospital übernommen hatte, habe man keinen Kontakt. Man lege dort offensichtlich wenig Wert auf eine Fortführung des Betriebes.

Die einzige Hoffnung besteht nun darin, dass doch noch kurzfristig ein Investor zusagt und auf die Rückendeckung des Rates verzichtet – oder dass der Rat seinen Beschluss überdenkt.

© 2010 Neue Westfälische
Paderborner Kreiszeitung, Dienstag 28. September 2010