»Kurz vor dem Ziel abgewürgt«

Chefarzt Dr. Ingo Klemens geht mit den Bürener Kommunalpolitikern hart ins Gericht. »20 Zentimeter vor der Ziellinie hat der Bürener Stadtrat den Rettungsversuch für das Bürener Krankenhaus abgewürgt«, kann Klemens die Entscheidung, dem St.-Nikolaus-Hospital die Unterstützung zu verweigern, nicht nachvollziehen.

Klemens, die Bürener Ärztin Claudia Rüter und der stellvertretende Verwaltungsleiter, Rolfe Wessmann, machen den Bürener Ratsmitgliedern heftige Vorwürfe. »Aus unerfindlichen Gründen hat der Rat die Notbremse gezogen, wo es nicht nötig war«, sagt Claudia Rüter, die in den vergangenen fünf Monaten unermüdlich für den Erhalt des Krankenhauses gekämpft hat.

Für sie und Dr. Ingo Klemens hätten offenbar lediglich »persönliche Animositäten« zur Entscheidung des Rates geführt. »Ich hätte nie damit gerechnet, dass die eigene Partei ihren Bürgermeister so vor die Wand laufen lässt. Das hat mit Realpolitik nichts mehr zu tun. Wenn man den Erhalt des Krankenhauses nicht will, hätte man das vorher sagen müssen«, so Klemens.

Der Bürener Stadtrat hatte in nichtöffentlicher Sitzung am vergangenen Donnerstag den Geldhahn für das Bürener Krankenhaus zugedreht. Nachdem die Marseille-Kliniken AG aus Hamburg im April Insolvenz angemeldet hatte, hatte der Rat im Juni eine Finanzspritze von 300 000 Euro bis Ende September genehmigt. Zwischenzeitlich sollte Bürgermeister Burkhard Schwuchow ein Betriebskonzept erarbeiten und nach Investoren suchen. Jetzt soll kein Geld mehr fließen.
Und das zu einem aus Sicht der Mitarbeiter denkbar ungünstigen Zeitpunkt. »Eigentlich war alles für ein Gesundheitszentrum geregelt«, sagt Claudia Rüter, die sogar bis zum Innenminister vorgedrungen ist. Insgesamt zehn Ärzte, darunter ein Kardiologe, ein Neurologe und auch ein Facharzt für Diabetes, hatten Interesse an einem Gesundheitszentrum mit Arztpraxen und Belegbetten gezeigt. »Uns sind sogar Sonderregelungen der Kassenärztlichen Vereinigung in Aussicht gestellt worden. Der Bürgermeister hat mit sechs der großen Krankenkassen gesprochen, die alle Zustimmung signalisiert haben«, ist für Claudia Rüter völlig unverständlich, warum gerade jetzt das Aus für das Krankenhaus besiegelt wird. »Ich fühle mich brüskiert«, ist die Medizinerin wütend und vermisst Verantwortungsbewusstsein bei den Ratsmitgliedern.

Für ein Gesundheitszentrum hätten lediglich noch Investoren gefehlt. »Es gab aber zwei bis drei ernsthafte Interessenten«, so Dr. Ingo Klemens. Ein solches Zentrum, das in einem Neubau untergebracht werden sollte, hätte in Nordrhein-Westfalen Modellcharakter gehabt. »Die Verbindung zwischen Fachärzten und Krankenhaus gibt es so derzeit nicht«, sagt Klemens und schreibt dem geplanten Gesundheitszentrum gute Chancen zu. Lediglich ein paar Wochen hätten gefehlt. Warum der Rest der vorgesehenen 300 000 Euro nun doch nicht eingesetzt werden soll, kann Klemens nicht verstehen: »Ich frage mich, wofür der Stadtrat das Geld nun ausgeben will. Schließlich ist ein Krankenhaus doch ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor.«

Nun stehe Büren jedoch vor einer eklatanten medizinischen Unterversorgung. Hinzu komme, dass die Hälfte der rund 30 niedergelassenen Ärzte in Büren über 57 Jahre alt sei. »Und junge Ärzte in die ländliche Region zu bekommen, ist äußerst schwierig«, so Rüter. Mit dem Gesundheitszentrum hätte Büren nordrhein-westfälische Modellregion werden können. Klemens richtet seinen Appell nochmals an die Politiker, die Entscheidung zu überdenken. »Wenn der Betrieb erst eingestellt ist und der letzte Patient das Haus verlassen hat, bekommt niemand mehr das Ding ans Laufen«, unterstreicht er.

Vermutlich könnten einige Ratsmitglieder einen persönlichen Erfolg verbuchen, »aber was sie hinterlassen, ist verbrannte Erde«, sagt Klemens.

Artikel vom 28.09.2010