Eigentlich wollte Reichsführer-SS Heinrich Himmler die schmucke Dreiecksburg zum ideologischen Zentrum der Welt machen. Heute haben Rechtsradikale keinen Zutritt in die alten Hallen: Wer Springerstiefel und Bomberjacke trägt oder auf der Kleidung bestimmte Symbole zeigt, muss draußen bleiben.
Durch die Umgestaltung der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg sei es gelungen, den historischen Ort zugänglich zu machen und zugleich zu verhindern, dass Rechtsextreme ihn als Pilgerstätte missbrauchen, sagt Kirsten John-Stucke, stellvertretende Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg.
Damit argumentiert sie ähnlich wie Dr. Gregor Rosenthal vom Bündnis für Demokratie und Toleranz: Man muss sich der Geschichte offensiv stellen und möglichst kreativ reagieren. Das heißt konkret: An Orten, die mit rechten Ideen aufgeladen sind wie etwa die Wewelsburg aber auch die Externsteine oder das Hermannsdenkmal, sollen diese Ideen nicht verheimlicht oder verdunkelt werden. Museen, Gemeinden und Bewohner sollten ganz offen damit umgehen.
Das ist das Fazit der Tagung Missbrauch historischer Orte und Daten durch Rechtsextremisten in Wewelsburg. 60 Teilnehmer, vom Polizeibeamten über Lehrer oder Lokalpolitiker bis zu ehrenamtlichen aus Vereinen waren gekommen. Sie sprachen dort am Wochenende über die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft, dem Missbrauch von Orten und historischen Daten durch Rechtsextreme entgegen zu wirken.
Für die Ausstellung rund um die Dreiecksburg scheint eine optimale Lösung gefunden zu sein: Gerade in den 90er Jahren haben wir Anzeichen dafür gesehen, dass sich die Burg zu einem beliebten Treffpunkt für die rechte Szene entwickelt hatte, gibt Kirsten John-Stucke unumwunden zu. Deshalb bekam die Ausstellung rund um die Wewelsburg nicht nur ein neues Gesicht, sondern im Jahr 2006 auch eine neue Hausordnung: rechtsextreme, antisemitische oder sexistische Symbole oder Handlungen sind verboten.
Beide Veränderungen haben zur Folge, dass man nicht einfach so zu den Kultstätten des Nazi-Terrors marschieren kann: Wer etwa den historisch belasteten und ideologisch aufgeladenen Nordturm mit seiner schwarzen Sonne betreten möchte, muss sich vorher die gesamte Ausstellung anschauen. Mitten in dem Raum, der bei Himmler unter der Bezeichnung Obergruppenführersaal firmierte, stehen zudem Sessel aus genähtem Stoff mit einer Füllung aus Schaumpolystyrol-Kügelchen. Diese so genannten Sitzsäcke stehen direkt auf dem Symbol der schwarzen Sonne. Dadurch wird der Raum für Rechtsradikale entweiht, glaubt John-Stucke, denn wer im Sitzsack sitzt, kann nicht stramm stehen.
Auch in den Augen von Rosenthal ist es in der Wewelsburg gelungen, die Erinnerungskultur lebendig zu halten ohne dabei rechten Ideen Vorschub zu leisten.
Ganz so einfach ist das aber nicht immer: Das Gebiet rund um die Externsteine kann man nicht einfach absperren. An bestimmten, herausragenden Tagen, wie etwa der Sonnenwendfeier, sei deshalb besondere Polizeipräsenz notwendig, um rechte Schläger und Heilsverkünder fern zu halten. Die Externsteine gelten in der rechten Szene als altgermanische Kultstätte des Stammes der Sachsen.
Aber nicht nur Orte und Plätze geraten ins Visier rechter Geschichtsumdeutung. Auch brisante Daten wie etwa der Todestag des Hitler-Stellvertreters und Szene-Märtyrers Rudolf Heß werden von ihnen genutzt, um auf die Straße zu gehen. Dabei werden zunehmend vermeintlich neutrale Daten, wie etwa der Tag der Arbeit am ersten Mai oder der Tag der Bombenangriffe auf Dresden von rechten Aktivisten für ihre eigenen Zwecke umgedeutet, berichtet Dr. Thomas Grumke vom Innenministerium Nordrhein-Westfalen.
Auch seine Devise lautet: Aufklären über die Ideologie und die ihr zugrunde liegenden Überzeugungen: Wenn man da als Met-Trinker die Sonnenwende bei den Externsteinen feiert, dann lehnt man sich an eine Denkschule an, mit der man womöglich eigentlich gar nichts zu tun haben möchte.
Bei fünf Workshops erläuterten die Tagungsteilnehmer auf der Wewelsburg die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft, Aufklärung zu betreiben und Gegenaktionen zu bereits etablierten rechten Veranstaltungen zu organisieren.
Bündnis für Toleranz
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz wurde im Jahr 2000 vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily gegründet. Seine Aufgabe ist es, das Engagement für Demokratie und Toleranz zu bündeln und Antworten auf radikale Ansichten und Vorstellungen zu entwickeln. Dem Beirat des Bündnisses gehören Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft an. Die Geschäftsstelle des Bündnisses hat ihre Geschäftsstelle in Berlin.
© 2010 Neue Westfälische
Paderborner Kreiszeitung, Dienstag 14. Dezember 2010