Mitgefühl ja, Nachgeben nein

Die Weiberger müssen sich wahrscheinlich damit abfinden, dass das Windvorranggebiet in der Nähe des Ortes deutlich wächst. Mit knapper Mehrheit hat sich der Bauausschuss dafür ausgesprochen, einen entsprechenden Flächennutzungsplan festzuschreiben.

Mit sieben Ja-Stimmen, einem Nein und sechs Enthaltungen folgten die Ausschussmitglieder in geheimer Abstimmung dem Vorschlag der Verwaltung.

Vorausgegangen war eine turbulente Diskussion.
Es sei Pech für die Weiberger, dass es rund um ihren Ort keine Faktoren gebe, die zu einem Ausschluss der Windenergienutzung führten. So brachte es Verwaltungsrechtler Dr. Nils Gronemeyer auf den Punkt, der die Stadt Büren bei der Erarbeitung des Flächennutzungsplanes berät. Dem politischen Druck nachzugeben, und auf die Vergrößerung der Vorrangzone bei Weiberg zu verzichten, führe jedoch dazu, dass der gesamte Plan juristisch angreifbar werde.

»Wir müssen ein schlüssiges Plankonzept erarbeiten, nach dem die Konzentrationszonen errichtet werden – und daran müssen wir uns dann auch konsequent halten, ob es uns passt oder nicht«, sagte CDU-Ausschussmitglied Gerhard Helle. Er stimme dem Plan darum zu, allerdings nur schweren Herzens, betonte er und beschrieb damit wohl die Empfindungen vieler seiner Ausschusskollegen, die zuvor ebenfalls großes Verständnis für die Sorgen der Weiberger geäußert hatten.

»Sie tun mir furchtbar leid«, sagte Fritz Lüke (CDU) an die Adresse der Zuhörer aus Weiberg. In der Tat werde der Ort künftig mit Windrädern »zugebaut«. »Vielleicht«, so Lüke, »gibt es das Dorf Weiberg in 50 Jahren fast gar nicht mehr – wer baut denn jetzt noch dort?« Auch mit Wegzügen sei zu rechnen. Auf die Belange der Bürger werde nicht genug Rücksicht genommen. Dennoch betonte auch Lüke, dass die Rechtslage keine andere Wahl lasse. Denn die Untersuchung des Stadtgebietes, so bestätigte es auch Reinhard J. Bölte, der die Verwaltung beraten hat, führe immer wieder zu der Fläche bei Weiberg. »Es müssen auf das gesamte Stadtgebiet die selben Kriterien angewendet werden«, betonte der Landschaftsarchitekt und Umweltfachmann. »Es gibt keine Alternativen.«

Bis auf 700 Meter dürfen die Windräder in Weiberg an die Häuser heranrücken. »Das ist eine Belastung«, gestand Rechtsanwalt Gronemeyer ein. »Aber es ist keine unzumutbare Belastung.« Tatsächlich könne es zu einer Wertminderung der betroffenen Häuser und Grundstücke kommen, mit einer Entschädigung sei jedoch wohl nicht zu rechnen. »Dagegen ist niemand gefeit, auch in anderen Fällen nicht«, verwies der Jurist beispielsweise auf den Bau von Autobahnen oder das Verbauen bisher schöner Ausblicke.

Bürgermeister Burkhard Schwuchow betonte, es sei ihm sehr schwer gefallen, Ausschuss und Rat den Beschlussvorschlag vorzulegen. Auch er äußerte großes Verständnis für die Sorgen und Ängste der Weiberger: »Es tut mir leid, aber wir müssen eine rechtssichere Bauleitplanung betreiben.« Nicht weit genug geht der neue Flächennutzungsplan dagegen Grünen-Fraktionschef Reinhold Zühlke. Er beantragte, den Flächennutzungsplan in der vorliegenden Form nicht zu verabschieden.
Stattdessen solle die Verwaltung beauftragt werden, ein neues integratives Konzept von Windkraftvorrangflächen zu erarbeiten. Zudem solle die Stadt zwei aktuell anstehende Klageverfahren gegen Windenergie-Investoren an anderen Standorten (Wewelsburg/Strautefeld und Oberfeld) wegen zu erwartender Erfolglosigkeit zurückzuziehen. Mit beiden Anträgen scheiterte Zühlke in geheimer Abstimmung.

Kommentar

Die Ratlosigkeit war am Dienstagabend im Ratssaal fast mit Händen zu greifen. Lokalpolitiker, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, können kein gutes Gefühl dabei haben, den Menschen eines Ortes Nachteile aufzubürden. Und doch werden sie es aller Voraussicht nach heute Abend in der entscheidenden Ratssitzung tun. Weil es die Rechtslage nicht anders zulässt. So versichern es die Experten – und wohl kaum ein Ratsvertreter ist in der höchst komplexen juristisch-landschaftsplanerischen Materie so bewandert, dass er widersprechen könnte.

Man darf unterstellen, dass die Beteuerungen von Verständnis und Mitgefühl für die Weiberger ehrlich gemeint sind. Trösten werden sie die Betroffenen trotzdem nicht. »Vögel werden geschützt – und was ist mit den Menschen?«: Äußerungen wie diese fielen in der Bürgerversammlung Ende vergangenen Jahres. Sie sind nachvollziehbar, Sorge und Wut sind berechtigt.

Doch was ist die Alternative? Wem ist geholfen, wenn die Stadt abermals einen Flächennutzungsplan erstellt, der juristisch nicht wasserdicht ist? Windkraft-Investoren haben inzwischen mehr als einmal vorexerziert, wie sie sich die Erlaubnis zum Bau dann eben vor Gericht erstreiten. Ein Kompromiss, der alle zufrieden stellt, scheint nicht in Sicht. Hanne Reimer

Artikel vom 03.02.2011